Rundbrief März 2023

Foto: Walter Korn

Rundbrief im März 2023

Liebe Netzwerk-Freundinnen und -Freunde,

die Tage werden wieder länger, erste Blumen strecken ihre Köpfe raus, langsam wird es wärmer. Ein wenig Frühling liegt schon in der Luft.

Ich hoffe Sie alle sind gut durch den Winter gekommen und freue mich, Ihnen in diesem Rundbrief auch den bereits angekündigten zweiten Teil meines Reiseberichts zukommen zu lassen.

Ich nehme Sie gern wieder mit ins ‘Land der Aufrichtigen‘ und lasse Sie teilhaben an und in unseren Projekten und wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen. Aus Sicherheitsgründen konnten wir uns auch diesmal wieder nur in der Hauptstadt Ouagadougou bewegen, aber das hat den Besuchen und Begegnungen keinerlei Abbruch getan. Im Gegenteil, sie waren geprägt von unendlicher Freude, Herzlichkeit und Dankbarkeit, dass wir uns nach der langen Corona-bedingten Pause endlich wieder persönlich austauschen konnten.

20 Jahre Wunschträume

Meine Projektreise nach Burkina Faso vom 9. bis 16. Januar 2023

(Teil 2)

Über die wunderbare Zeremonie anlässlich unseres 20-jährigen Wunschträume-Jubiläums, bei der auch Katrin Rohde dabei gewesen ist, und der damit gleichzeitig 20-jährigen Zusammenarbeit mit Sidiki Belem und dem Schulkomplex Wend Raabo habe ich im 1. Teil meines Reiseberichts ausführlich geschrieben. Fernsehen und Presse in Burkina Faso taten ebenfalls das Ihre dazu und haben in den Tagen danach immer wieder berichtet.

In RTB (Radio/Television Burkina Faso) im ‘L‘Observateur‘

Aber neben diesem wunderschönen Fest gab es viele weitere wichtige Besuche, interessante Begegnungen und schöne Momente auf dieser Reise, von denen ich hier berichten möchte.

Wie schon erwähnt waren Leon Jander und Walter Korn meine wunderbaren Mitreisenden und haben mit ihrem professionellen Übersetzen und einfühlsamen Fotografieren viel zum Rundum-Gelingen der Reise beigetragen. An dieser Stelle beiden nochmals herzlich ‘BARKA‘ – ‘DANKE‘.

Gleich am ersten Tag nach meiner Anreise stand ein Besuch im ‘Garten der Hoffnung‘ an, jenem Garten, der nach meiner Reise im Februar 2020 als Projekt von BangrNooma/Rakieta Poyga in Kooperation mit unseren ‘Wunschräumen‘ gestartet und angelegt wurde.

Was für ein herzlicher Empfang wurde uns da bereitet, denn neben Rakieta – sie hatte uns morgens schon mit dem Fahrer abgeholt – waren einige ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von BangrNooma gekommen, aber auch Schwester Germaine vom Centre Delwendé sowie Mamoudou, Boureima und Tasséré waren gekommen, uns zu begrüßen.

Was 2020 mit Verlaub noch ein Flecken ‘Wüste‘ war, war jetzt ein kleiner ‘Garten Eden‘ geworden, in dem es grünte und wo man ernten konnte.

Die Hausmeister-Familie – Menschen, die als Flüchtlinge aus dem Norden gekommen sind – hat sich gut eingelebt und fühlt sich wohl. Vier ihrer fünf Kinder besuchen die nahe gelegene Schule.

Außerdem anwesend waren viele der 30 Frauen, die für das Wachsen und Gedeihen in diesem Garten zuständig sind.

Etwas Probleme gibt es mit dem Wasser. Die Pumpe scheint nicht genügend Wasser befördern zu können. Hier sollen Brunnen-Spezialisten Anfang März prüfen, wie sich Abhilfe schaffen lässt.

Auf einem Rundgang durch den Garten kommen wir immer wieder mit Frauen ins Gespräch, die ihre große Dankbarkeit und Zufriedenheit ausdrücken.

Vom ‘Garten der Hoffnung‘ fahren wir ins ABN-Büro (Association BangrNooma), um eine kleine Mittags- und Erfrischungspause zu machen.

Nachdem wir uns alle etwas erholt haben, brechen wir auf zum Zemstaaba-Garten.

Diesen Garten gibt es schon seit vielen Jahren. Er ist eine soziale Einrichtung der ‘Action Sociale‘, in der vorwiegend alleinerziehende oder ältere Frauen Salat, Gemüse und Obst anbauen und von dem Verkauf leben. Wir unterstützen die Arbeit der rund 50 dort tätigen Frauen seit über 10 Jahren. Es sind nicht immer alle gleichzeitig da. Manche arbeiten morgens, andere nachmittags. Aber alle Frauen, die diesmal da waren, haben nach dem Sänger – gemeint war Udo vom Shanty-Chor Cuxhaven – und seiner Frau gefragt. Sie alle konnten sich gut erinnern, dass Udo bei seinen Besuchen sehr zu ihrer Freude mit ihnen gesungen hatte.

Langjährige Erfahrung und unendlicher Fleiß der Frauen zahlen sich aus. Die Frauen scheinen alle einen grünen Daumen zu haben, denn was sie pflanzen und wässern wächst und gedeiht einfach phantastisch. Sie können mit Gewinn verkaufen, ihren Kindern das Schulgeld finanzieren und sich selbst ein etwas besseres Leben leisten.

Auch hier im Zemstaaba-Garten gibt es Wasser-Probleme, wobei es sich um eine offensichtlich defekte Pumpe handelt, die wohl erneuert werden muss.

Am Tag nach der Jubiläumsfeier steht ein Besuch im Centre Delwendé am äußersten Stadtrand Ouagadougous in Sakoula auf dem Plan. Auch dies eine Einrichtung der ‘Action sociale‘, die wir ebenfalls über BangrNooma und Rakieta Poyga unterstützen.

Derzeit leben 197 Frauen im Zentrum, die meisten aus dem Norden. Sie alle wurden aus ihren Familien und Dörfern ausgestoßen und verjagt – zumeist aus völlig nichtigen Gründen. Fast alle bleiben bis zu ihrem Lebensende im Centre Delwendé, denn ein Zurück in ihr Dorf, geschweige denn ihre Familie, bleibt ihnen in der Regel verwehrt.

Mithilfe von Rakieta und der leitenden Schwester Germaine war es möglich mit ein paar Frauen jeweils ein kleines Interview zu führen über das ‘Wie‘ und ‘Warum‘ sie heute hier leben. Ich darf Ihnen drei meiner Gesprächspartnerinnen vorstellen:

Zunächst haben wir mit Christine gesprochen. Sie ist 71 Jahre alt und lebt seit 19 Jahren bei den Schwestern. Schon sehr jung war sie zwangsverheiratet worden und hat fünf Kinder geboren und großgezogen. Sie lebte mit Mann und Kindern, später ersten Enkelkindern als Familie zusammen. Als jedoch ein Verwandter aus der Familie des Mannes starb, wurde sie für schuldig an dessen Tod erklärt und mir nichts, dir nichts aus dem Dorf gejagt. Sie sei herumgeirrt und habe immer wieder Leute nach dem Weg in die Hauptstadt gefragt. Eines Tages sei sie bei den Nonnen gelandet.

Sie spricht sehr leise. Manchmal huscht ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. Glücklich wirkt sie nicht auf mich, aber ein wenig macht es den Anschein, als hätte sie hier ihren inneren Frieden gefunden. Sie ist nicht allein, sie lebt an einem sicheren Ort, bekommt zu essen und zu trinken, sie hat eine Schlafstatt.

Die 57-jährige Antoinette Sondo möchte nicht fotografiert werden. Sie lebt erst seit vier Jahren im Centre Delwendé. Sie ist bereits Großmutter und ihre Familie fehlt ihr sehr, wie sie sagt. Aber die Tradition diktiert es, denn bereits ihre Mutter war schon als sogenannte ‘Hexe‘ aus dem Dorf verjagt worden. Mehr möchte sie nicht sagen. Tränen steigen ihr in die Augen.

Bibiane Limsida ist um die 70, ganz genau weiß sie es nicht. Sechs Kinder hat sie geboren, das letzte hier im Centre Delwendé. Eines ihrer älteren Kinder hatte Fieber – und daran war sie schuld. Zumindest behaupteten das ihre Mit-Dorfbewohnerinnen und jagten sie davon. Das im Zentrum geborene Kind musste sie nach dem Abstillen abgeben. Und schließlich sei auch ihre Mutter schon als ‘Hexe‘ vertrieben und hier gelandet. „Hexen bringen eben Hexen zur Welt“ sagt man in ihrem Dorf. Seit 24 Jahren ist sie nun schon hier. Ab und zu bekommt sie Besuch von einem ihrer Kinder – heimlich – denn das darf im Dorf niemand erfahren. Für sie sind das dann die größten und glücklichsten Freude-Momente. Alles in allem ist sie froh, an einem Ort wie diesem in Frieden leben zu dürfen.

Wunschträume/Netzwerk für Mädchen- & Frauenprojekte e.V. unterstützt das Centre Delwendé seit rund zehn Jahren mit jährlich 1.000 bis 1.500 Euro für Nahrungsmittel. An diesem Nachmittag können wir Schwester Germaine 200 € zusätzlich überreichen. Die Freude ist riesengroß, kann doch mit dieser großen Summe das Lebensmittel- wie auch das Medikamentenlager wieder gut aufgefüllt werden. Herzlich ‘Barka‘ – ‘Merci‘ – ‘Danke‘

 

Die Schule ‘Wend Songda‘ von Tasséré Derra liegt in einem ebenfalls sehr armen Viertel am anderen Ende der Hauptstadt. Der Kontakt zu Tasséré Derra ist vor vielen Jahren entstanden. Seine Schule besuchen inzwischen 1.200 Kinder in Kindergarten, Grund- und höherer Schule, sowie Lyzeum, und ist ein wenig nach dem Modell unserer Wend Raabo-Schule von Sidiki Belem entstanden und gewachsen. Ich besuche die Schule regelmäßig und freue mich darüber, dass hier das Netzwerk greift und Tasséré Derra auch in regelmäßigem Austausch mit Sidiki, Mamoudou Savadogo und Rakieta Poyga ist.

Ein weiterer, ganz besonderer Schulbesuch stand noch an: eine Einladung in die École de Musique, eine Musikschule, 2018 gegründet von Maria Behrens aus Deutschland. Die wiederum hatte ich über eine Musiklehrerin im Cuxhavener Abendroth-Gymnasium kennengelernt. Die Welt ist manchmal eben sehr klein.

Das Orchester der Musikschule war ja bereits auf unserer Jubiläumsfeier in Wend Raabo in Erscheinung getreten, nun konnte ich mir die Räumlichkeiten der Schule ansehen und habe Sidiki, Boureima und Tasséré gleich mitgenommen. Außerdem den 20-jährigen Mohamed, den ehemaligen Wend Raabo-Schüler, der auf der Feier einen Danke-Song an Wunschträume als Rapper vorgetragen hatte. Sein großer Wunsch ist es, richtig Gitarre und Schlagzeug zu lernen.

Mehr als 50 Kinder besuchen inzwischen die Musikschule und erhalten Unterricht auf traditionellen burkinischen Instrumenten wie Balafon, Kora oder Djembe, aber lernen auch Geige, Gitarre, Ukulele, Flöte oder Klavier.

Maria Behrens selbst war während unseres Besuchs in ihrer Schule noch in Deutschland. So hat ihr Lebensgefährte Yannik uns begrüßt, alles gezeigt und viele Fragen beantwortet. Sichtlich beeindruckt was wir an diesem Vormittag alles zu sehen und zu hören bekamen, denn ein Großteil der Schülerinnen und Schüler hatte Unterricht, kehrten wir in unser AMPO-Quartier zurück, wo wir am Nachmittag zum Treffen des Deutsch-Burkinischen Freundschaftskreises eingeladen waren.

Auch hier spielte das Orchester der Musikschule im Begleitprogramm.

Anlässlich dieses Treffens lernte ich Walter Walbroel, einen pensionierten Lehrer aus Krefeld kennen und lud ihn ein, uns am kommenden Montag in unseren Schulkomplex Wend Raabo zu begleiten, was er dann auch mit Freude tat.

Walter Walbroel spricht sehr gut französisch und bekam schnell einen ‘Draht‘ zu den Deutsch-Schülerinnen und -Schülern in der Bibliothek wie auch zu einigen Lehrerinnen und Lehrern.

Er bot Sidiki Belem an, den Schulkomplex beratend ein wenig zu unterstützen, was auf großes Interesse stieß. In welcher Form sich das umsetzen lässt, wird noch zu klären sein.

Doch auch diese Begegnung mit Walter Walbroel zeigt mir, wie wichtig es ist Menschen miteinander bekannt zu machen und wenn möglich eben zu vernetzen.

Wie bei all meinen Reisen gab es auch diesmal am letzten Abend vor der Abreise ein ‘Diner für alle‘ im AMPO-Restaurant. Da bringen unsere Projektleiter ihre Frauen mit. Katrin Rohde, Rakieta und Tasséré sind dabei. Melchior Landolt war tags zuvor aus Deutschland gekommen und war mit seinem burkinischen Projektleiter Oumaru dabei, und es zeigte sich, wie groß und wunderbar das Netzwerk in 20 Jahren vor Ort in Burkina Faso gewachsen ist.

Ganz beiläufig erzählte Projektleiter Boureimas Frau von ihrer Initiative, einen kleinen Kindergarten gegründet zu haben. Eine mehr als unterstützenswerte Initiative. Darüber mehr im nächsten Rundbrief.

Meine Burkina Reise ging trotz aller vorherigen Unsicherheiten bezüglich Sicherheit im Land und gestohlenem Reisepass am 16. Januar mehr als zufriedenstellend und beglückend zu Ende.

Rundherum erfüllt bin ich wieder in meinem Cuxhavener Zuhause gelandet, wo kurz drauf ein wundervoller Artikel über 20 Jahre Wunschträume in der Tageszeitung erschien. Sie können ihn auf unserer Webseite nachlesen ->klick oder auch hier ->klick.

Zurück in Deutschland gab es gleich genug zu tun, denn auch hier soll das 20-jährige Jubiläum gebührend gefeiert werden, was so einiger Vorbereitungen und Planung bedarf.

Fest stehen bislang die Termine: Freitag, 15. September in Cuxhaven mit den ‘Shanties for Africa‘ unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Uwe Santjer, und Donnerstag, 12. Oktober in München unter dem Motto ’20 Jahre Wunschträume‘ unter der Schirmherrschaft von Alt-OB Christian Ude.

Eine tolle Nachricht war aus München gekommen: Dank einer großzügigen Unterstützung des Münchner Auktionshauses Hermann Historica GmbH konnten Andrea und Bernd in München zwei Paletten mit Equipment für den EDV-Unterricht an den von Wunschträume e.V. unterstützten Schulen packen, welche am 23. Februar auf die lange Reise nach Burkina Faso gingen. Wir wissen nicht, wie lange der Container mit den Paletten unterwegs sein wird, hoffen aber auf eine zügige und gute Reise.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Sie mit diesem Rundbrief und Reisebericht wieder umfangreich informieren und auf aktuellen Stand in unseren Projekten bringen konnte.

Trotz aller Widrigkeiten, die gerade das Weltgeschehen tag/täglich beeinflussen, wünsche ich Ihnen ein buntes und schönes Frühjahr, und bleiben Sie zuversichtlich.

Herzlich

Ihre Kathrin Seyfahrt

Wunschträume/Netzwerk für Mädchen- & Frauenprojekte e.V.

Website: www.netzwerk-wunschtraeume.de – E-Mail: netzwerk-wunschtraeume@web.de

(Steuer-Nr.: 143 / 224 / 60660)

Spendenkonto: ‘Netzwerk Wunschträume

IBAN: DE24 7002 0270 0036 2636 44 – BIC: HYVEDEMMXXXHypoVereinsbank
oder
IBAN: DE51 2005 0550 1318 1201 83 – BIC: HASPDEHHXXXHamburger Sparkasse

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